Anfänge am Stockbach
Ein paar Namen, allerdings meist nur den älteren Mitbürgern bekannt, erinnern heute noch daran, daß Friedrichsthal einst zu den Zentren der deutschen Glasherstellung zählte. Fast im ganzen 19. Jahrhundert lag die Gemeinde mit Abstand an der Spitze der Glasproduktion im heutigen Saarland, das damals aus einem preußischen und einem bayrischen Teil bestand. Noch 1914, als es nur noch zwölf Hütten für Fensterglas, Flaschenglas und das feinere Weißhohlglas an der Saar gab, lagen drei davon in unserem Ort, der von 1723 an 17 Glashütten entstehen und im Laufe der Zeit wieder schließen sah. Im Jahre 1926 wurde die letzte dieser Hütten, die Oldenburgische Flaschenhütte am Bahnhof aufgegeben.
Ein paar Straßennamen, der "D-Zug" oder die "Schlawerie" (schon vor rund 65 Jahren abgerissen), die "Häwestubb", der "Spitze Klicker", der ehemalige Braschenberg und bunte Glassteine, die man auf den Wegen der Umgebung finden kann, sind alles, was von der Zeit der Glasmacher geblieben ist. Nicht zu vergessen die alten Friedrichsthaler und Bildstocker Familiennamen wie Wentzel und Reppert, Bohrmann, Edelmann, Högel, Lindemann, Sahner, Siffrin, Weil und Zeller, deren Träger als Hüttenbesitzer oder Glasmacher zum Teil seit dem 18. Jahrhundert hier ansässig sind.
Glas ist eine Mischung aus Kieselsäure, Alkalien und Kalk, wobei die Säure aus Sand oder Mineralien wie Granit und Basalt, die Alkalien früher aus Pottasche, diese wiederum aus Holz, gewonnen wurden. Holz und dann Kohle brauchte man natürlich auch zum Erhitzen und Mischen der Glasmasse. Hinzu kam die Glasschlacke. Die Rohstoffe waren also in dieser Gegend in genügender Maße vorhanden. Kalk konnte aus Frankreich importiert werden. Es gab den Sandsteinboden und den breiten Waldgürtel vom Warndt über die Saar bis Kirkel, es gab wirtschaftlich denkende Grafen und Fürsten der kleinen Besitzungen an der Saar, die solche Vorteile bald erkannten, und es gab die lothringische Tradition der Glasmacher, die ihre Kunst über die Grenzen hinaus bekannt gemacht hatten.
Schon 1604 bestand eine Glasmachersiedlung ausgewanderter hugenottischer Lothringer in Ludweiler. Es folgten Gründungen in Klarenthal, Jägersfreude oder Karlsbrunn. Ein Zweig der später in Friedrichsthal so bekannten Repperts war schon in diesen Hütten tätig. Da die Glasmacher nicht nur durch Abgaben die Kasse der Grafen bereicherten, sondern auch unwirtliche Waldgegenden um ihre Siedlungen rodeten und damit erst dem Verkehr erschlossen, waren sie für den Steuersäckel und, wie wir heute sagen würden, für die Infrastruktur in gleichem Maße wichtig. Die Landesherren bewiesen ihr Interesse an den Glasmachern durch die Gewährung großzügiger Vorteile, sogenannter Privilegien, wie Freiheit von Leibeigenschaft und Fron- oder Wehrdienst, Erbpacht, kleine Jagdrechte und anderes mehr.
Mit dem Datum vom 17. April 1723 gestand Graf Friedrich-Ludwig (gestorben 1728) aus dem weitverzweigten nassauischen Grafenhaus den zwei Glasmachern Eberhard und Wentzel aus dem nassauischen Breitenborn bei Hanau Hüttenrechte im Wald an dem Stockbach auf Ottweiler Bann zu. Die entstehende Siedlung wurde nach ihrem Gründer Friedrichsthal genannt. Eigentümer auf Zeit dieser Hütte und des umliegenden Landes von fast 250 Morgen waren Ludwig Adolph Eberhard (gestorben 1770) und Johann Martin Wentzel (gestorben 1764). Als dritter Beständer (so nannte man diese Eigentümer) trat Martins Bruder Johann Gerhard (gestorben 1763) hinzu. Die Wentzels entstammen einem sehr alten Glasmachergeschlecht. Es war eine kleine Hütte mitten im Wald mit recht dürftiger Umgebung. Ein paar Häuser, eine Quelle, Scheunen für das Vieh, aber immerhin an der Straße und der Tränke für die Pferde gelegen, auf der die Grafen samt Gefolge zwischen Saarbrücken, Neunkirchen, Ottweiler und dem Jagdhaus Erkershöhe hin- und herreisten. Die Hütte bestand nur sieben Jahre und lag gegenüber der heutigen Polizeiwache in Friedrichsthal; später wurden dort Glasmacherhäuser erbaut, die "Schlawerie" oder der "D-Zug" genannt.
Der Graf erlaubte den Glasmachern den Holzschlag, gestand Freiheit von Kriegs- und Frondiensten zu ("die Beständer und Ihre Arbeits-Leuthe (sollen) alle Freyheiten, sowohl in Friedens- als in Kriegs-Zeiten, wie auf Glaßhütten gebräuchlich, genießen"), er erlaubte den Beständern verbilligten Salzkauf - das Salz ergab damals wichtige Steuern - und überließ ihnen die Hütte und das Land in Erbpacht. Für 500 Klafter Holz und 50 Zentner Pottasche im Jahr waren 350 Gulden zu zahlen. Zum Vergleich: eine Kuh, damals kein kleiner Besitz, kostete sieben Gulden. Landwirtschaftliche Nutzung des Geländes samt Viehhaltung war ebenfalls garantiert. Schließlich hatten die Friedrichsthaler ein Glashütten-Monopol, denn in der Herrschaft durfte laut Urkunde keine zweite Hütte errichtet werden.
In der Hütte wurde sogenanntes ordinäres Tafelglas, also Fensterglas, hergestellt, das zum Teil bis nach Holland,wo damals die Treibhäuser aufkamen, verschifft wurde. Im Unterschied zu den später aufkommenden Flaschenglasmachern waren die Fensterglasmacher, auch "Walzenmacher" genannt, entschieden standesbewußter und erfüllt mit altem Zunftgeist. Es war völlig ausgemacht, daß nur Söhne oder nahe Verwandte von Glasmachern in den Stand aufgenommen wurden.
Der Herstellungsprozeß war handwerklich, selbst mechanische Erleichterungen gab es nicht. Daran hat man bei uns sehr lange festgehalten, so daß viel später, wegen kleiner Produktion und daher Kapitalmangels, der Anschluß an die mehr technische Glasproduktion im übrigen Deutschland und im Ausland nicht ganz gelang. Produziert wurde während des 18. Jahrhunderts im " Mondglasverfahren " , was noch entschieden komplizierter war als das Walzenglasverfahren, obgleich auch dieses, wie aus einer Schilderung hervorgeht, überaus geschickte Meister und Gehilfen verlangte. Dieses Verfahren kam im 19. Jahrhundert auf und war dann allgemein üblich. "Die Glasbläser tauchten eine etwa eineinhalb Meter lange schwere eiserne Röhre, welche zur besseren Hantierung einen Holzgriff und oben ein Mundstück hatte, in die Glasflüssigkeit. Eine kleine Menge derselben blieb durch Drehung der Röhre, welche Pfeife genannt wird, am Ende haften. Der Glasmacher holte seine Pfeife aus dem Hafen heraus und stellte durch Hineinblasen eine kleine Glaskugel her – ähnlich wie die Jugend mit Strohhalmen die bekannten Seifenblasen. Diese wird wieder erwärmt und dann weiter zu einer Kugel aufgeblasen. Jetzt tritt der Glasbläser an den sogenannten Schwenkgraben und verarbeitet die Kugel durch weiteres Blasen, Schwenken und Drehen der Pfeife zu einer Glaswalze von fast ein Meter Länge.Die Glaswalzen wurden dann unten geöffnet und oben am Ende der Pfeife abgesprengt. Dann fährt ein Arbeiter mit einem glühenden Eisenstab in der Längsrichtung über die auf einem Holzgestell liegenden Walzen, wodurch sie der Länge nach gespaltet werden. Jetzt bringt man sie in den Streckofen, wo sie geöffnet und mit einem Holze zu einer ebenen Fläche gebügelt werden, und das Fensterglas ist fertig. Damit es aber nicht springt und haltbar wird, muß es noch in den Kühlofen, in dem es langsam erkaltet. Nachdem es dort herausgeholt ist, wird es zerschnitten und von Packern versandfertig gemacht" (1).
(Ein Beitrag von Dr. Werner Kern in Friedrichsthal Bildstock Maybach - Bilder und Dokumente zur Geschichte der Stadt, Heimat- und Verkehrsverein Friedrichsthal 1975)
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